Traum und Analyse: Ein Haus mit 2 Teppichen Der Traum:
Ich ging mit meiner Kusine durch ein sehr großes Haus. Ich dachte, es war ihr Haus. Wir gingen von einem Raum in den anderen. Es gab viele Treppen und Ebenen. Auffallend war, dass die Räume fast leer waren und nichts behagliches hatten. Eher wirkten sie edel, aber kalt.
Dann kamen wir in einen Raum in dem ein großer grüner Teppich lag, und wenig später in einen, in dem ein roter Teppich lag. Wir gingen weiter und als wir auf die Terrasse kamen, waren dort viele Menschen, Bekannte von mir und Verwandte. Ich entfernte mich von ihnen und ging auf die andere Seite des Hauses. Ein großer schöner Spiegel lehnte an der Hauswand. Ich wollte mir ein schönes Oberteil anziehen, das mir meine Kusine gegeben hatte. Es bestand aus einem dünnen Stoff und war hübsch. Als ich mich im Spiegel sah, sah ich, dass meine Brust nicht richtig bedeckt war in meiner jetzigen Kleidung. Es war mir ein wenig unangenehm, aber ich wunderte mich auch, dass niemand komisch darauf reagiert hatte. Dann wollte ich das schöne Oberteil anziehen, aber es war zu kurz und zu eng und zu steif und ich war froh, als ich es wieder ausgezogen hatte. Dann wachte ich auf.
Die Traumtafel: [Traumtafel einblenden] Die Analyse:
Wir wollen weil wir einen Körper, Gefühle und Bedürfnisse haben. Weil wir aus der Natur hervorgegangen sind, und unser genetischer Bauplan eben eine bestimmte Natürlichkeit verlangt. (Damit Körper und Seele am Leben bleiben.) Wir müssen weil die Leistungsgesellschaft Anforderungen an uns stellt, und die Rahmenbedingungen für unsere Lebensplanung vor gibt. Zudem müssen wir unserem Gewissen gerecht werden, weil es uns mit einem "schlechten Gewissen" bestrafen kann, wenn wir uns nicht an die Gesellschaftsregeln halten. Das Spannungsfeld zwischen den beiden Polen "wollen" und "müssen" bestimmt unser Fühlen, Denken und Handeln. Verständlich, dass es auch das Hauptthema in den meisten Träumen ist. Diese zeigen dann den aktuellen seelischen Standpunkt, sowie das Gerangel dieser beiden seelischen Bereiche. So auch bei diesem Traum hier: Das Haus ![]() ![]() In dem hier vorgestellten Traum ist es ein Haus mit vielen Ebenen und Räumen. Übersetzt: Der Träumer hat viele Persönlichkeitsanteile (auf verschiedenen Ebenen). Die Bedeutungen von oben und unten ![]() ![]() ![]() Die beiden seelischen Bereiche (M-Bereich und P-Bereich) widersprechen sich meist, und schliessen einander gegenseitig aus. Eine "seelische Ausstattung" die beiden Bereichen gerecht wird, ist demnach ein lockendes Ziel. Genau daran arbeitet die Psyche des Träumers: Treppen verbinden "oben" und "unten" ![]() Was sagt der Traum nun über den aktuellen seelischen Standpunkt aus? Ist der Träumer eher im "Natürlichen" oder im "Geistig-rationalen" zuhause? Schauen wir uns dazu an, wie das Haus gezeigt wird: Die Räume hatten "nichts behagliches", wirkten "edel aber kalt". Das sind typische Attribute des P-Bereiches. (Räume die Natürlichkeit zeigen, sind warm, organisch, bunt, chaotisch, bewachsen.) Es ist ja gerade das Ziel der gesellschaftlichen Werte, die störende Natürlichkeit zu unterdrücken - zu Gunsten eines "moralischen Lebenswandels" und einer erhöhten Leistungsbereitschaft. Edel gehört auch zu den P-Symbolen, denn der geistigen Ebene wohnt die Ästhetik inne, die Struktur, das Saubere und das Sterile. Wir können deshalb mit einiger Sicherheit behaupten: Der Träumer befindet sich derzeit in einer Phase, in der geistig-rationellen Werte und Fähigkeiten eine höhere Priorität geniessen, als die Anforderungen seiner Natürlichkeit. Dieser aktuelle seelische Standpunkt ist aber nicht sehr ausgeprägt, er wird nicht mit besonderem Nachdruck ausgelebt. Ablesen können wir das an: "... dass die Räume fast leer waren". Will heissen: Die dargestellten Persönlichkeitsanteile sind nicht gut ausgestattet. (Die P-spezifischen Fähigkeiten, Werte, Antriebe ... sind mit wenig Inhalt gefüllt.) Fazit bis hierher: Die seelische Heimat zu Beginn des Traumes ist P-orientiert. (Werte, Fähigkeiten, Ressourcen, Strategien u.s.w. der Leistungsgesellschaft bestimmen das seelische Geschehen des Träumers.) Aber es wird ein Wechsel eingeleitet, der Träumer ist dabei, sich seelisch zu entwickeln. Das erkennen wir daran, dass die Persönlichkeitsanteile mit Inhalten gefüllt werden (Die Räume haben einen Teppich, damit ist die "Grundlage" gelegt. Um was für Anteile handelt es sich, M oder P? Wieder ziehen wir die Inhalte aus dem kollektiven Unbewussten ![]() ![]() Dann zeigt der Traum, dass die neue seelische Ausrichtung stabiler wird: Die bisherigen Persönlichkeitsanteile waren P-orientiert (siehe Traumanfang). Das Traum-Ich entfernt sich nun von diesen Anteilen, es geht "auf die andere Seite". Der "seelische Stellungswechsel" wird so dargestellt. Damit ist die Psyche ein kleines bisschen reicher geworden, sie hat sich entwickelt. Sie besitzt jetzt M-Anteile, d.h. alles was mit Natürlichkeit, Emotion und Körper zu tun hat, ist besser entwickelt. Weniger Priorität haben die geistig-rationellen Anteile, die patriarchalen Normen der Leitungsgesellschaft. Aber da gibt es ein Problem:
Genau das ist der Grund, warum die Psyche eine neue Entwicklung zuerst ausprobiert. Der Traum zeigt dies mit Hilfe des Spiegels: Darin kann die Träumerin nachsehen, "wie ihr die neue Lebensweise steht". "... dass meine Brust nicht richtig bedeckt war" - in der M-Umgebung muss man sich eben um verklemmte patriarchale Moralvorstellungen nicht kümmern. M ist eine natürliche, körperliche Lebenseinstellung, da dürfen körperliche Attribute und Reize gezeigt werden. Aber das gesellschaftlich-moralisch geprägte Gewissen gibt nicht auf: "Es war mir ein wenig unangenehm". Klar, war es das, in einer körperfeindlichen P-Gesellschaft "tut man so etwas nicht." Leider wurde in dem Bericht nicht erwähnt, was der Träumer/die Träumerin unter "schönes" Oberteil versteht. Daran hätte man ablesen können, ob das neue "seelische Outfit" der M- oder der P- Wertigkeit zugeordnet werden kann. Bedeutet "schön" zum Beispiel "weich, kuschelig, Erdfarben, Naturmaterialien ...", dann wäre es der M-Welt zuzuordnen. Bedeutet "schön" zum Beispiel "Kunstfasern, klassisch, elegant, korrekt, Bügelfalten ..." dann würde es der P-Welt zugeordnet. Ich vermute, dass es im zweiten Sinne zu verstehen ist, denn es gibt einen Hinweis darauf: "... es war zu kurz und zu eng und zu steif". Das klingt nicht nach natürlicher Entfaltung, das klingt nach "patriarchalem, moralischen Korsett". Die Psyche hat also am Ende des Traumes den neuen seelischen Zustand gefestigt - die bequeme M-Kleidung zeigt die neue Identität.
Es ist doch erstaunlich, was man aus wenigen Traumzeilen alles herauslesen kann. Wollen auch Sie diese Kunst beherrschen? Dann können Sie hier das Buch kaufen:
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